Die Vorplanungen für die neue Bahnstrecke zwischen Augsburg und Ulm sind in Verzug. Dabei soll das Projekt nicht nur den europäischen Fernverkehr voranbringen, sondern auch den Regionalverkehr in Schwaben.
Großprojekte der Deutschen Bahn sind ja immer umstritten, was teilweise zu seltsamen Forderungen führt. Weit oben auf der Skala der Seltsamkeiten beim Ausbauprojekt der Strecke zwischen Augsburg und Ulm steht etwa der Vorschlag des Bürgermeisters im schwäbischen Zusmarshausen, den Fernverkehr auf der wichtigen Magistrale zwischen Paris und Budapest künftig nicht mehr über den Augsburger Hauptbahnhof, sondern um die Stadt herum in einen Vorort zu führen. Die Planer der Bahn haben die Idee schnell einkassiert, sie haben ernsthafte Probleme, um die sie sich kümmern müssen: So musste Projektleiter Markus Baumann gerade bekannt geben, dass die Vorplanungen knapp ein Jahr später fertig werden, weil in einer ersten Vergaberunde an Fachbüros keine Angebote eingingen. Der Bundestag wird sich nun erst Ende statt Anfang 2024 mit dem endgültigen Trassenverlauf befassen.
Die Bauarbeiten, das ist abzusehen, werden also in diesem Jahrzehnt eher nicht mehr beginnen. Dabei ist das Bahnprojekt Ulm – Augsburg – kurz ULA – von grenzüberschreitender Bedeutung. Die Gleise in Schwaben sollen so ausgebaut werden, dass Züge gen Frankreich oder Ungarn mit bis zu 300 Kilometer pro Stunde vorbeirasen und zusätzliche Güterloks den Warenverkehr in Europa befördern. 160 Jahre alt ist die Strecke, auf der ICE von Augsburg nach Ulm bestenfalls eine knappe Dreiviertelstunde benötigen. Künftig sollen es 26 Minuten sein, auch damit der sogenannte Deutschlandtakt funktioniert, der bundesweit den Fahrplan im Fernverkehr vereinfachen soll. Um die Reisegeschwindigkeit entsprechend zu beschleunigen, plant die DB unter anderem durchgängig vier statt zwei Gleise, momentan werden vier mögliche Trassenverläufe untersucht.
Der Ausbau ist essenziell, um die „Magistrale für Europa“ zukunftstauglich zu machen. Unter diesem Namen haben sich Kommunen und Verbände entlang der Strecke Paris – Budapest zusammengeschlossen, darunter auch die Städte Augsburg und München sowie die örtlichen Industrie- und Handelskammern. Die Anbindung ans Schienennetz sei ein wichtiger Standortfaktor, sagt Annika Hummel, Geschäftsführerin der Initiative – schon um gut ausgebildete Fachkräfte in die Region zu locken. Der Ausbau der Strecke Ulm – Augsburg sei dabei neben einer noch fehlenden Kurve bei Straßburg „das letzte noch nicht begonnene Teilstück zwischen Paris und München“.
ULA ist daher auch eng mit dem noch laufenden Ausbau der Strecke Ulm – Stuttgart verknüpft. Derzeit ist die Inbetriebnahme des Abschnitts von Ulm nach Wendlingen für Mitte Dezember 2022 vorgesehen, mit geplant 15 Minuten Zeitersparnis für Fernreisende. Bis 2025 soll außerdem der Bahnhofsriese Stuttgart 21 vielleicht fertig sein. Das erhöht den Druck, den Abschnitt zwischen Augsburg und Ulm endlich auch in Angriff zu nehmen.
Bis dahin sind allerdings noch viele Hürden zu nehmen. Etliche Bürgerinitiativen haben sich gegründet, die um ihre Häuser oder den Anschluss kämpfen, was wiederum zu solch kuriosen Vorschlägen wie dem des Bürgermeisters von Zusmarshausen führt. Wobei die Bahn den Hauptbahnhof in Augsburg tatsächlich unter die Lupe nehmen muss: Neue Kapazitätsberechnungen und Fahrplansimulationen sollen klären, ob der Halt – der derzeit kostenintensiv und aufwendig ausgebaut wird – bei einer Inbetriebnahme der ausgebauten Strecke nach Ulm noch genug Kapazitäten hätte oder noch einmal erweitert werden müsste. Auch weil der Bund jüngst den Ausbau anderer Strecken, etwa von Donauwörth nach Augsburg, auf die Agenda genommen hat.
Überhaupt ist das Projekt ULA zwar eines für den Fernverkehr, soll aber auch Verbesserungen für den Nahverkehr mit sich bringen. Bärbel Fuchs, Geschäftsführerin der Bayerischen Eisenbahngesellschaft, verspricht sich durch die künftigen vier Gleise eine höhere Taktung und verbesserte Pünktlichkeit im Regionalverkehr, weil Konflikte mit dem Fernverkehr wegfallen. Montags bis freitags ist aktuell ein 30-Minuten-Takt zwischen Augsburg und Ulm geplant, die Umsteigezeiten an den Knotenbahnhöfen Ulm, Neu-Ulm, Günzburg, Gessertshausen und Augsburg Hauptbahnhof werden verbessert. In Augsburg könnten außerdem zwei neue Halte für die Regionalbahnen entstehen.
Erst aber stehen noch zahlreiche Untersuchungen an, wobei die DB angibt, realistische Eingaben gerne zu untersuchen. So haben die Planer bereits zwei mögliche Trassen gestrichen und dafür auf Anregungen hin zwei neue in die detaillierten Auswertungen aufgenommen. Und bei einer Variante hat die Bahn den Streckenverlauf wegen eines Naturschutzgebiets geändert – die Wiesenbrüter im Pfuhler Ried, das zumindest steht schon fest, werden weiter unbehelligt von Schnellzügen leben können.
Quelle: Augsburg: Probleme beim Ausbau der Bahnstrecke nach Ulm – Bayern – SZ.de (sueddeutsche.de)