Besuch einer Delegation der EU entlang der Strecke München-Mühldorf-Salzburg
„Zweigleisiger Ausbau wichtig für den Korridor Rhein-Donau“
Auf Einladung der Initiative „Magistrale für Europa“ besichtigte EU-Koordinatorin Karla Peijs die Bahnstrecke München-Mühldorf- Salzburg und erfuhr somit aus erster Hand welche Forderungen die regionalen Vertreter an Berlin und Brüssel stellen. „Wir brauchen Ihre Unterstützung!“ untermauerten einheitlich Vertreter aus Politik, Wirtschaft und von der Bahn die Forderungen gegenüber Karla Peijs und verdeutlichten anhand vieler Beispiele, wie sehr die Region von einem zweigleisigen Ausbau profitieren würde. Alle Beteiligten setzten große Hoffnungen in den Besuch der ehemaligen niederländischen Transportministerin, der am Bahnhof in Salzburg seinen Anfang nahm und über Burghausen und Mühldorf nach München führte. Peijs ist schließlich die Koordinatorin der Europäischen Union für den Ausbau des Korridors Rhein-Donau, der den Abschnitt München – Mühldorf – Salzburg beinhaltet.
Die Ausbaustrecke (ABS 38) liegt damit im Zentrum des europäischen Verkehrskorridors zwischen Paris, Straßburg sowie Wien und Bratislava/Budapest. Am Ende des Tages zeigte sich die EU-Koordinatorin vor allem von der Größe und Wirtschaftskraft des Chemiedreiecks beeindruckt: „Es ist überraschend, was hier passiert. Das erwartet man nicht in einer Region, in der die Energieversorgung und Infrastruktur knapp bemessen ist.“ Es sei an der Zeit, dass Berlin sieht, was hier auf dem Spiel steht, wenn sich in Sachen Bahnausbau nichts bewegt. Eine Elektrifizierung und der Ausbau der Strecke sei darum überfällig – im Interesse Deutschlands und des gesamten Kontinents. Peijs wies zudem auf die besondere Lage Oberbayerns hin: Hier sei der Schnittpunkt der Ost-West-Verbindung mit dem zentralen Nord-Süd-Korridor des EU-Kernnetzes. Deshalb machte die EU-Koordinatorin auch deutlich, „dass man nicht in Einzelprojekten denken darf, sondern einen Korridor als Gesamtes betrachten und bewerten muss“. Was nicht heißt, dass es dennoch verschiedene Interessenslagen gibt. Bei dem Ortstermin in Mühldorf verdeutlichte Klaus-Peter Zellmer als Leiter des Projekts ABS 38 die Ziele der Bahn. Vorrangig gehe es um eine Erhöhung der Kapazitäten im Personen- und Güterverkehr zwischen München und Salzburg – verbunden mit einer Entlastung der Brennerzulaufstrecke München-Kufstein. „Unglücklich“ nannte Zellmer den aktuellen Stand des Bundesverkehrswegeplans, in dem die Zweigleisigkeit der Bahnstrecke von Tüßling nach Freilassing weiterhin nicht als „vordringlicher Bedarf“ eingestuft ist. Ein Punkt, der auch dem SPD-Landtagsabgeordneten Günther Knoblauch sauer aufstößt: „Das ist eine Entscheidung für die Zukunft und für die Arbeitsplätze in der Region. Dafür lässt sich aus heutiger Sicht nur bedingt eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellen. Genau das gilt es in Berlin noch deutlicher zu machen“, sagt Knoblauch am Rande der Gesprächsrunde. „Die ABS 38 ist wichtig für ganz Europa“ so Karla Peijs nach dem Austausch mit Vertretern der Politik und Wirtschaft. Ähnlich sieht es Landrat Georg Huber. Politik und Bahn hätten es in der Vergangenheit versäumt, die Bedeutung der ABS 38 für die Region an den entscheidenden Stellen zu kommunizieren. „Das konnten andere besser.“ Die Folge: „Noch ist der Landkreis infrastrukturell abgehängt.“ Huber rückte ein weiteres Thema in den Fokus: Die verbesserte Anbindung an den Flughafen München über „Walpertskirchener Spange“ und „Erdinger Ringschluss“. Das Projekt hat laut Huber eine starke Wirkung für die Städte und Kommunen in der Region: „Nur wenn eine gute Verkehrsanbindung gewährleistet ist, bleibt die Region für junge Arbeitnehmer und Familien attraktiv.“ Die überregionale Bedeutung der ABS38 für die Wirtschaft hob Gerhard Wieland heraus. Der Referent für den Schienenverkehr bei der IHK für München und Oberbayern stellte die Ergebnisse einer IHK-Studie heraus, die vor dem Hintergrund der für 2026 geplanten Inbetriebnahme des Brenner-Basistunnels erstellt wurde. Viele Informationen also für Karla Peijs, die vor allem eine Erkenntnis mit nach Hause nahm: „Die ABS 38 liegt im Herzen des transeuropäischen Kernnetzes. Sie ist also wichtig für ganz Europa“. Außerdem informierte sie sich über die nächsten Planungsschritte und den Stand des Bundesverkehrswegeplanes. Die EU-Koordinatorin machte deutlich, „dass man nicht in Einzelprojekten denken darf, sondern einen Korridor als Gesamtes betrachten und bewerten muss.“ Lob gab es auch für die Bahn-Baustellen. Die Auflösung so genannter „Flaschenhälse“ entlang der Strecke geht zügig voran und wird Ende 2017 pünktlich in Betrieb genommen, erläuterte der Leiter für das Großprojekt ABS38, Klaus-Peter Zellmer: Das dritte Gleis zwischen Salzburg und Freilassing wie auch der zweigleisige Ausbau zwischen Mühldorf und Tüßling kommen dabei sowohl dem Regionalverkehr wie auch dem Güterverkehr für das Chemiedreieck zu Gute, machte der DB-Projektverantwortliche deutlich.
In einer Abschlußbewertung der Informationsfahrt und in einer kurzen Diskussion mit Vertretern der regionalen Politik und Wirtschaft in Mühldorf lenkte Karla Peijs den Blick durchaus auf kritische Punkte, zum Beispiel auf einen berechtigten Interessenausgleich von Personen und Güterverkehr, von Nah- und Fernverkehr. Zugleich zeigte sie sich etwas skeptisch, ob sich tatsächlich so große Gütermengen, wie erhofft, von der Straße auf die Bahn verlagern lassen. Christian Kubasch von der Südostbayernbahn erklärte, dass allein aus dem Chemiedreieck täglich rund 50 Güterzüge den Bahnhof Mühldorf anfahren, mit wachsendem Trend. Mühldorfs Landrat Georg Huber berichtet vom enormen Wachstum des Personen-Pendlerverkehrs. Während allein aus Schwindegg und dessen Umland in den 80er Jahren täglich knapp 20 Personen die Pendlerzüge nutzten, seien es aktuell rund 2000. Zugleich rückte er die Notwendigkeit einer endlich zu bauenden Bahnanbindung aus der Region an den Flughafen in den Fokus – vor allem mit Blick auf die Vernetzung von Arbeitsplatz-Angebot und Wohnorten. Die Crux in der aktuellen Diskussion ist, ob die sogenannte ABS 38 von München bis Salzburg komplett zweigleisig verlaufen soll, oder im Abschnitt von Tüßling bis Salzburg nur einspurig mit Ausweichstrecke und in Summe reduzierter Leistungsfähigkeit. Die Zweigleisigkeit wünschen Wirtschaft und Politik in der Region, wie Verkehrsexperte Gerhard Wieland von der IHK darstellte, wird aber im Bundesfernstraßenplan nicht so festgelegt. Wieland zeigte außerdem auf, dass über eine von Bahnplanern angedachte Nord-Süd-Entlastungsachse, zu der bestehende Strecken über Leipzig, Regensburg und Mühldorf aufgewertet werden sollen, bei einer leistungsstarken Spange von Mühldorf nach Freilassing ihr volles Potenzial, auch mit Blick auf eine Entlastung Münchens und eines Brennerzulaufs, entfalten kann. Die Frage von Karla Peijs nach möglichen privaten Finanzierungs- und Beteiligungsmodellen an einem Bahnausbau beantwortete Jochen Englmeier für den Städtebund Inn-Salzach: Das Grundgesetz in Deutschland weist die Verantwortung für den Bahnbau nach wie vor dem Staat zu.