Wer schon einmal versucht hat, mit dem Zug quer durch Europa zu reisen, kennt das Problem: Statt einer durchgehenden Buchung wartet oft ein Kleinkrieg mit verschiedenen Buchungsplattformen, Einzeltickets und unklaren Fahrgastrechten. Das soll sich bald ändern – zumindest ein Stück weit.
Ab Herbst 2025 will die Deutsche Bahn den grenzüberschreitenden Ticketkauf revolutionieren: Internationale Verbindungen sollen sich dann so leicht buchen lassen wie eine Fahrt innerhalb Deutschlands – und zwar über bekannte Wege wie bahn.de oder den DB Navigator. Hinter dieser Neuerung steckt ein gemeinsames Projekt mehrerer europäischer Bahngesellschaften: das Open Sales and Distribution Model (OSDM). Dabei handelt es sich um eine technische Standardschnittstelle, die es ermöglicht, Ticketdaten einheitlich auszutauschen. Damit könnten Reisende künftig ihre gesamte Strecke – zum Beispiel von Berlin nach Rom oder Stockholm nach Madrid – mit nur wenigen Klicks und einem einzigen Ticket buchen. Zunächst werden die Bahnunternehmen aus Österreich und der Schweiz angebunden, nach und nach sollen weitere folgen. Laut Deutscher Bahn soll bis Ende 2026 ein Großteil des Kontinents über diese neue Infrastruktur erreichbar sein.
Das ausgerechnet Athen als Beispiel für die neuen Buchungsmöglichkeiten genannt wird, obwohl Griechenland derzeit per Zug gar nicht wirklich erreichbar ist, lässt einen zumindest schmunzeln. Zudem gibt es Kritik an der praktischen Umsetzung: Zwar macht OSDM die technische Integration einfacher – aber nicht jedes Bahnunternehmen hat ein Interesse daran, sich in ein gemeinsames System einzufügen. Gerade dort, wo Konkurrenz zwischen Bahnbetreibern herrscht, ist die Bereitschaft zur Zusammenarbeit bislang begrenzt. Auch die Fahrgastrechte bei internationalen Verbindungen sind weiterhin ein Unsicherheitsfaktor: Wer haftet bei Anschlussverlusten? Was passiert bei Verspätungen? Ohne einheitliche Regelungen könnte der technische Fortschritt an praktischen Problemen scheitern.
Parallel arbeitet auch die Europäische Kommission an einem Gesetzesvorschlag, der einen einheitlichen digitalen Zugang zu Bahnreisen garantieren soll – inklusive klarer Fahrgastrechte für die gesamte Reise. Die Kommission plant dabei allerdings einen anderen technischen Standard als OSDM zu verwenden, was bei der Deutschen Bahn auf Skepsis stößt: Die bisherigen Investitionen in OSDM seien enorm – sowohl zeitlich als auch finanziell.
Ein Schritt nach vorn – aber kein Durchbruch?
Die Idee eines einheitlichen europäischen Bahnnetzes, bei dem man mit einem einzigen Ticket von Paris nach Budapest und darüber hinaus reisen kann, ist atraktiv – für Reisende ebenso wie für den Klimaschutz. Doch damit diese Vision Wirklichkeit wird, braucht es mehr als technische Schnittstellen: Kooperation, politischer Wille und faire Spielregeln für alle Anbieter sind ebenso entscheidend. OSDM ist zumindest ein vielversprechender Anfang. Ob es zum echten Wandel führt, wird sich daran zeigen, wie ernst die europäischen EVU und die Politik die Vision eines vernetzten Europas auf der Schiene tatsächlich nehmen.