Abteil statt Airline, Schienen statt Straßen: Die Renaissance der Bahn ist die zentrale Antwort Europas auf Klima- und Verkehrsprobleme. Heute sind es nur etwa 7 Prozent der europäischen Passagiere und 11 Prozent der Güter, die per Bahn reisen. Der Rest fährt mit dem Auto, Lkw oder Flugzeug. Das soll sich komplett ändern. Die EU-Kommission will Kurzstreckenflüge überflüssig machen und stattdessen Hochgeschwindigkeitszüge und Nachtzüge grenzüberschreitend ausbauen. Bis 2030 soll sich der Hochgeschwindigkeitsverkehr verdoppeln, bis 2050 verdreifachen. Die Idee dahinter: Europas große Städte so zu verbinden, als wären sie Stadtteile einer einzigen Mega-Metropole – eine „europäische U-Bahn“, wie das Netzwerk namens „Starline“ auch genannt wird, quer über den Kontinent. Die Idee kommt von dem in Kopenhagen ansässigen Thinktank „21st Europe“.
Die Idee ist nicht neu. Schon seit den 1990ern gibt es Pläne für Transeuropäische Verkehrsnetze (TEN-V). Die sollen den Binnenmarkt stärken und umweltfreundliche Mobilität fördern. Neun große Korridore – von Skandinavien bis Sizilien, von der Atlantikküste bis zum Schwarzen Meer – bilden das Rückgrat dieses paneuropäischen Netzes. Die Main Line for Europe verbindet Paris mit Budapest und Bratislava. Der Brenner-Basistunnel verkürzt die Reisezeit zwischen München und Verona. Und das Rail Baltica-Projekt sorgt dafür, dass die baltischen Staaten besser ans mitteleuropäische Schienennetz angebunden werden. Die EU verfolgt damit mehrere Ziele: Klimaschutz durch mehr Züge auf der Schiene, ein starker EU-Binnenmarkt dank schnellerer Verbindungen für Menschen und Waren und nicht zuletzt ein geopolitisches Signal der europäischen Autonomie – im Wettbewerb etwa zu Chinas neuer Seidenstraße.
Die Kopenhagener Thinktank 21st Europe hat jetzt einen Plan vorgestellt, der ein kontinentübergreifendes Zugnetz vorsieht. Das ist nicht nur interessant, sondern auch ziemlich ambitioniert. Der Plan ist, dass es in ganz Europa ein Hochgeschwindigkeitsbahnnetz geben soll, das so ähnlich wie eine U-Bahn oder Metro funktionieren soll.
Das Projekt „Starline“ soll die „fragmentierte, ungleichmäßige und oft langsame“ Eisenbahninfrastruktur des Kontinents neu erfinden und ultraschnelle Verbindungen einführen, die mit dem Flugverkehr konkurrieren können, so die Idee.
Gerade was das Thema Organisation, Verwaltung und Finanzierung betrifft, hat der dänische Thinktank ein paar interessante Ideen in pettp: So soll Starline sollte von einer neuen Europäischen Eisenbahnagentur (ERA) überwacht werden – einer Einrichtung der EU, die für die Koordinierung, Interoperabilität und langfristige Erweiterung des europäischen Bahnsystems zuständig ist. Durch die Einbettung von Starline in den institutionellen und rechtlichen Rahmen Europas wird das Netz mehr als ein Verkehrssystem – es wird zu einem festen Bestandteil der Infrastrukturstrategie des Kontinents.
Finanziert werden soll Starline durch eine Kombination aus EU-Infrastrukturhaushalten, Mitteln der Europäischen Investitionsbank (EIB) und langfristigen EU-Anleihen. Während die EU-Mittel das Bahnnetz selbst finanzieren sollen, sollen die nationalen Regierungen ihre jeweiligen Bahnhöfe und regionalen Verbindungen mitfinanzieren. Der Privatsektor soll an der Entwicklung der Bahnhöfe und dem Logistikbetrieb beteiligt werden.
Die Ticketpreise sollen deutlich günstiger sein als Kurzstreckenflügen und heutige Bahnverbindungen. So sollen Kunden zum Umsteigen auf das Bahnnetz motiviert werden. Der Güterverkehr soll hingegen über die Trassenpreise den Personenverkehr mitfinanzieren und die Rentabilität des Projektes erhöhen.
Quelle/Autor: Sinde Metz: Die europäische U-Bahn „Starline“: Vision eines kontinentalen Schienennetzes und 21st Europe: Starline – 21st Europe